Gedenkrede zur Reichspogromnacht und den Herausforderungen der Gegenwart
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,
Lob an OBM Dank an Ihre Teilnahme und Solidarität.
wir haben uns heute hier wieder versammelt, um der Ereignisse der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 zu gedenken. Es war eine Nacht, die wir die „Nacht der Schande“ nennen. In dieser Nacht wurden in Deutschland Synagogen in Brand gesetzt, jüdische Geschäfte geplündert und zerstört, und viele jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger wurden gedemütigt, geschlagen und ermordet. Wir wissen alle wie es endete. Wir erinnern uns an diese Verbrechen, weil sie nicht nur der Vergangenheit angehören. Sie sind Teil unserer Gegenwart und sollten Teil unserer kollektiven Verantwortung sein. Doch die schmerzhafte Wahrheit ist, dass Antisemitismus, der Hass auf Juden, nicht in den Geschichtsbüchern geblieben ist. Er ist auch heute noch eine Realität, die in unserer Gesellschaft fortbesteht – manchmal im Verborgenen, oft aber auch ganz offen. Der Hass ist nicht in den Geschichtsbüchern geblieben.
Die Gewalt der „Nacht der Schande“ war kein isoliertes Ereignis. Sie war Teil eines Plans, der das jüdische Volk auslöschen sollte. Und es war nicht nur die Gewalt und das Morden selbst, die so erschreckend waren sondern auch das Schweigen, das Schweigen der Mehrheit der Bevölkerung, das Wegschauen der Nachbarn. Viele Menschen, die diese Verbrechen miterlebten, taten nichts, um sie zu verhindern. Diese Passivität ermöglichte es den Tätern, ungehindert vorzugehen.
Heute, 86 Jahre später, müssen wir uns fragen, ob wir aus der Geschichte gelernt haben.
Am 7. Oktober 2023 wurden wir erneut Zeugen eines schrecklichen Angriffs auf das jüdische Volk. An diesem Tag verübte die Terrororganisation Hamas in Israel ein Massaker von beispielloser Brutalität. Dieses Pogrom ist der am detailliertesten dokumentierter Massenmord der Geschichte. Es gibt unfassbare Mengen von Videomaterial, gefilmt von den Terroristen selbst, von den Opfern, oft kurz vor ihrem Tod und von Verkehrsüberwachungskameras. Es ist schwer sich eine Meinung zu bilden, ohne ein paar Details zu kennen. auch wenn sie schwer auszuhalten sind. In Israel in unserer Gemeinde kennt sie jeder. Man kann sehen, dass die Mörder Frauen vor den Augen ihrer Kinder wieder und wieder vergewaltigten, bevor alle erschossen wurden, man sieht wie den Opfern bei lebendigem Leib die Brüste abgeschnitten wurden. Sie zwangen Familien dabei zuzusehen, wie dem gefesselten Vater, die Augen ausgestochen wurden oder das Genital abgeschnitten wurde. Es ging nicht darum einfach nur zu töten, zu Entführen. Das Kriegsziel hieß: Unendlicher Hass. Es wurde erreicht. Der Hass, der diese Taten antreibt, ist der gleiche Hass, der in der Reichspogromnacht entfesselt wurde. Und das Ziel bleibt dasselbe: die Ausrottung des jüdischen Volkes. Und der Hass meine Damen und Herren befindet sich auch wieder auf deutschen Straßen und Wohnzimmern.
Wenn wir die reinen furchtbaren Zahlen des Massakers auf Deutschland übertragen würden, hieße das, wir zählten 12.750 ermordete Menschen und etwa 2650 entführte, verschleppte Opfer, Was würden wir tun? Welches Land der Welt hätte maßvoll reagiert? Wer heute Nachrichten im ÖRR betrachtet, sieht gnadenlose israelische Angriffe, wenig vom Leid der Israelis. Damit heiße ich nichts gut. Ich sage nur: Um die Israelis zu verstehen, muss man zurückreisen zum 07. Oktober 2023.
Man möchte meinen, dass dem überfallenen Staat Sympathie und Solidarität gezeigt worden wäre. Vereinzelt war das der Fall. Man möchte meinen, dass sich der Hass gegen Katar gerichtet hätte, einem Staat der den faschistoiden Verbrechern der terroristischen Hamas Unterschlupf gewährte und sie finanzierte oder gegen den Iran, der mit seiner Politik des Hasses die gesamte Region im Würgegriff hat. Aber weit gefehlt. In vielen Fällen sehen wir sogar Versuche, die Täter zu rechtfertigen oder die Opfer zu beschuldigen. Von Anfang an bestritten Influencer und sog. propalästinensische Aktivisten, dass es die Gräueltaten überhaupt gegeben habe. Die Videos vom 07. Oktober 2023 werden als „Fake“ gebrandmarkt. Das Ziel ist, dass niemand den Juden glaubt. Das was den Nazis mit der Schoa nicht gelungen ist, könnte den Terroristen mit dem 07. Oktober gelingen.
Der Hass richtete sich umgehend gegen den angegriffenen Staat. Es gab nur wenige Demonstrationen für die Freilassung der Geiseln. Es gab keinen oder nur verhaltenen Demonstrationen gegen die Vergewaltigung von jüdischen Frauen und Mädchen. Israel steht damit als einziges Land exemplarisch dafür, dass wenn es angegriffen wird und sich wehrt, noch stärker angegriffen und verurteilt wird. Viele wollen, dass Israel keine Waffen mehr aus Deutschland bekommt. Sie verweisen auf das Leid in Gaza und im Libanon. Netanjahu ein Rechter und ein Gauner. Sie unterschlagen das Wichtigste. Israel hat niemals einen Krieg begonnen. Der erste Krieg, den das Land verlöre, wäre sein Untergang. Haben die Juden den Tod verdient, als Strafe für Netanjahu? Das kann nicht euer Ernst sein.
Und wie hörte es sich 1936 an: „Bevor Palästina eine Beute der Juden wurde, soll es der Überlieferung nach, ein fruchtbares Land gewesen sein, in dem Milch und Honig floss. Wegen seiner zentralen Lage haben die Juden frühzeitig ihre gierigen Augen auf dieses gelobte Land geworfen. Nach ihrem Einmarsch in Palästina metzelten sie den Großteil der einheimischen Bevölkerung nieder, führten jüdische „Kultur“ ein und machten das blühende Land zur Wüste. Die Römer rotteten in erbitterten Kämpfen einen Großteil der „auserwählten Rasse“ des Teufels aus. Das Volk Judas verlor seine Heimat. Das Hauptziel des jüdischen Weltherrschaftsstrebens war den Besitz Palästinas zu erreichen. (Zitat aus dem Stürmer 1936)
Kommt Ihnen der Ton bekannt vor? Absurd? Fake news? Genozid? Apartheid? Absolute Umkehr der geschichtlichen Wahrheit? Die vom Hetzblatt verbreiteten Ungeheuerlichkeiten dienen heute den Hassern z.B. denen von der „intifada Nürnberg“ als Vorlage. Dieselben Nazigeschichten kursieren heute im Netz. Sie skandieren „From the river to the sea“, also das neue Juda verrecke!“ und dies in der Stadt der Menschenrechte
Als man Menschen wegen ihrer Religion verfolgte wurden Juden wegen Religion gehasst und verfolgt. Dann wurden die Juden auch wegen ihrer „Rasse“ gehasst. Jetzt werden die Juden nicht mehr zuerst wegen ihrer Religion und ihrer Rasse verachtet oder gehasst, sondern weil sie einen Staat haben. Die Israelis werden denunziert, wenn Geiseln entführt werden und wenn sie die Geiseln dann befreien.
Der Jude kann nicht gewinnen: Historisch werden wir gehasst, wenn wir uns integrieren und wenn wir uns nicht integrieren. Wir werden gehasst, als wir staatenlose Kosmopoliten waren (der ewige, verfluchte Jude) und heute, wenn wir einen demokratischen Staat haben. Wir werden gehasst, weil wir schwarz sind und weil wir weiß sind, weil wir Kommunisten sind und weil wir rechts sind. Weil wir reich sind und weil wir arm sind. Es ist eine sehr schmerzhafte Kontinuität und Erkenntnis.
Können Sie mir sagen was die folgenden Dinge sind, die sich auch hier nach dem 07. Oktober abgespielt haben, wenn nicht purer Antisemitismus? Und was hat das alles mit „Palästina“ zu tun?
Die Ermordung, die Vergewaltigung und Einführung von Säuglingen Kindern, Alten und Jungen wird gefeiert und als „Freiheitskampf“ definiert. „Israelkritik“?
Vor den Universitäten entstehen Zeltlager bei denen der arabische Faschismus gefeiert wird „Israelkritik“?
Jüdische Studenten werden angegriffen, von den Unis ausgesperrt IK?
Die Häuser von Juden werden gekennzeichnet, mit dem Logo der Faschisten beschmiert und natürlich auch mit Judensternen bemalt „Israelkritik“?
Wir sind deine Männer o Sinwar hallt es durch Berlin, wo Islamisten den Erzterroristen feiern „Israelkritik“?
Juden mit Kipa und Davidstern werden auf der Straße attackiert „Israelkritik“
Israelfahnen brennen, „Israelkritik?“
Synagogen müssen geschützt werden, Hassdemos die sich „propalästinensisch“ nennen finden regelmäßig statt „Israelkritik?“
In Berlin wurden wir bei einer Familienfeier darauf hingewiesen „jüdische Symbole“ nicht offen zu tragen und bitte wenn, dann leise Hebräisch zu reden. „Israelkritik?“
Dies alles ist blanker Judenhass.
Liebe Freunde, ich bin hier geboren, wir befinden uns auf dem Friedhof, wo jüdische Soldaten für ihr Vaterland gefallen sind. Das ist mein Vaterland und nun soll ich mich verstecken?
Aber genauso ekelhaft: Am 07.11. fast zeitgleich zum Novemberpogrom 1938.Ein weiteres Zeichen der Hasser: Die Wiederholung der Nacht der Schande gerade in Amsterdam stattgefunden. In unserem Nachbarland. Arabische Judenhasser machen Jagd auf Fußballfans. Der Mob prügelt und verletzt Menschen schwer, wirft sie in die Grachten. Das war keine „spontane“ Erhebung, das war ein organisierter Versuch von Massenmord. Die Terrorbanden werden aufgerufen Juden zu jagen. Die Einsatzkräfte reagieren kaum. Eine johlende Menge feiert das Ungeheuerliche. Nicht nur in Israel denkt man an 1938. Israel schickt Flugzeuge um die Menschen auszufliegen.
Am 09. November, gestern, wird eine Demonstration der „Intifada Hannover“ Hannover genehmigt, die den nächsten Pogrom hier in Deutschland vorbereitet.
Sätze fallen wie „dreckige faschistische Zionisten, dreckige Ratten haut ab nach Polen fallen
Haben Sie solche Dinge schon einmal gehört? Wir Juden schon!
Am 07.11.2024 sollte eine Resolution im Bundestag verabschiedet werden unter dem Titel „nie wieder ist jetzt“ ein überparteilicher Antrag. Leider sind die Relativierer schon wieder in Aktion. 9 der insgesamt 25 Bundesarbeitsgemeinschaften der Grünen rebellieren. Sie wenden sich gegen die Heranziehung der IHRA Definition von Antisemitismus diese sei immer wieder dazu genutzt worden, „um auch legitime Kritik an der Politik Israels als antisemitisch zu diffamieren“ Manche Passagen der Resolution unterstützten zu dem (Zitat) ein in rechtsextremen Kreisen verbreitetes Bild“, wonach Antisemitismus heute ein Problem „der Anderen“ und nicht der Deutschen sei. Kommt da noch ein Moment der Reflexion? Stellen sich diese Leute kritischen Fragen? Und ja, Frau (Özuus) Özuguz, Leute wie Sie bereiten den Boden. wir haben ihre schändlichen Bemerkungen zur Kenntnis genommen und ja sie sind eine Schande für unser Parlament, für unser Land und auch für meine Partei. Das Nicht-Handeln nach den Äußerungen dieser Frau beflügelt die Hasser. Das Wort „Zionist“ soll als Synonym für Juden eingeführt werden. Ihre skandalösen Aussagen blieben ohne Folgen.
Der Zionismus ist nicht mehr und nicht weniger als das Recht der Juden auf Selbstbestimmung in ihrer historischen Heimat. Weder Kolonialismus, noch Apartheid, Vertreibung oder Genozid. Heutzutage aber ist die einzige akzeptierte Form des Antisemitismus die toleriert wird, der Antizionismus.
Machen wir uns nichts vor: Es geht nicht um „die Regierung Israels“ nicht um diesen Krieg. Es geht um die Anlegung von scheinheiligen, perfiden doppelten Standards. Das Messen mit zweierlei Maß. Und das, genau das meine Damen und Herrn, ist antisemitisch, die grausame ungerechte Behandlung von Menschen, nur weil sie Juden sind.
Es gibt keine Rechtfertigung für Terrorismus, es gibt keine Entschuldigung für die systematische Tötung und Entführung unschuldiger Menschen.
Der politische Islamismus, der heute in vielen Teilen der Welt auf dem Vormarsch ist, teilt dieselben menschenverachtenden Ansichten wie der Rechtsextremismus. Wir unterschätzen die Gefahr durch die Nazibanden nicht. Aber die Mehrheit der Bevölkerung unterschätzt die Gefahr durch die Islamisten und den Antisemitismus der Linken. Wer läuft denn bei den Hassdemos mit? Schauen Sie sich die Leute an. Der reine Antisemitismus befeuert von Linken und Neonazis und den Islamistischen Hassern. Und wenn man die Wahrheit ausspricht, wird man schnell in die rechte Ecke gestellt. „Omas gegen rechts? Wo sind die Omas gegen den Extremismus, gegen den Hass?
Und noch etwas meine Damen und Herren, und das können sich alle Hasser ins Stammbuch schreiben: die Zeiten in denen wir uns wehrlos abschlachten ließen sind vorbei. Die Toten, mögen sie in Frieden ruhen, können sich nicht mehr wehren. Zur Überraschung der Welt wehren wir uns. Opa, Vorwurf. Ich hätte mir nie denken lassen, dass der Kontinent für uns Juden wohl bald unbewohnbar ist. Viele meiner Glaubensgenossen tragen sich jedenfalls mit dem Gedanken nach Israel zu gehen und dies gilt auch für mich.
Wir wissen, wo wir hingehen, aber wohin gehen Sie?
Ich danke Ihnen nochmals für Ihre Solidarität. Antisemitismus ist ein Symptom einer tiefergehenden gesellschaftlichen Krankheit, einer Krankheit, die Hass und Intoleranz sät und die letztlich die Werte untergräbt, auf denen unsere Demokratie basiert. Bei der Abwehr und Ächtung des Extremismus, von links, von rechts, aus dem islamistischen Milieu sind wir alle gefragt. Schluss mit Relativieren. Es geht nicht nur um den Schutz der jüdischen Gemeinschaft, es geht um den Schutz unserer Demokratie und unserer Freiheit und letztlich um unser aller Schutz.
Lassen Sie uns die Parallelen zu damals und den Ernst der Situation erkennen. Ganz ehrlich, ich weiß nicht, ob es nicht schon zu spät ist. Gibt es eine Zukunft, in der Freiheit, Toleranz und Respekt, das Grundgesetz, die Grundlagen unseres Zusammenlebens sind? Vielleicht kann man noch verhindern, dass sich die Vorboten der furchtbaren Vergangenheit noch stärker verbreiten.
Vielen Dank.
Erster Vorsitzender der IKGN, Jo-Achim Hamburger