G’ttesdienst

G’ttesdienst zu Shabbat

Der Shabbat hat eine besondere, hohe und zentrale Bedeutung für Juden. Der Shabbat erinnert an die Schöpfung der Welt. „Und G’tt segnete den siebenten Tag und heiligte ihn“ (1. Buche Mose’, Kapitel 2, Vers 3).

Er ist der siebte Schöpfungstag, an dem Er ruhte und uns ihn zu heiligen gebot. An ihm schaffen wir nichts Neues, wir lassen alles laufen. Indem wir dies tun, erkennen wir nicht nur den Schöpfer an, sondern folgen seinem Beispiel.

Wir arbeiten nicht, wir spielen nicht am Handy, wir fahren nicht mit dem Auto, wir schreiben nicht und vieles mehr. Es heißt im Talmud: „Wenn Israel [gemeint: alle Juden, die Israeliten] nur ein einziges Mal den Shabbat wirklich halten würde, würde der Messias kommen, denn das Halten des Shabbat kommt dem Halten aller Gebote gleich“ (Midrasch Exodus Rabba 25, 12).

Am Shabbat denken wir auch an die Sklaverei und Unterdrückung, die wir einst in Ägypten erfuhren, und an den Auszug aus Ägypten. Wenn ein Jude zu Beginn des Shabbat am Freitagabend den Segen auf Brot und Wein spricht, verbindet er die Schöpfung der Welt mit der Freiheit des Menschen. Am Shabbat ruhen alle – der Herr und der Knecht, die Familie und Fremde, auch das Tier.

Die Heiligkeit des Shabbat ist hoch – aber wie im Judentum allgemein, ist manches stets höher als jede andere religiöse Pflicht. So ist die Aufhebung der Gesetze zu Shabbat nicht nur erlaubt, sondern verpflichtend, wenn es um Lebensgefahr oder um eine schwere Krankheit geht. „Der Shabbat ist dem Menschen überliefert worden, nicht der Mensch dem Shabbat“ (Mechilta Ki Tessa 5). Wenn es nötig ist, dann ist freilich die Heiligkeit für einen Shabbat zu unterbrechen, „auf daß er leben möge, viele Shabbate zu erfüllen“ (Joma 86a).

Wir ehren den Schabbat, indem das Abendessen ein besonderes ist. Der Tisch ist festlich gedeckt, das – besonders gute und festliche – Abendessen ist zu Beginn des Shabbat bereits zubereitet. Das Haus soll aufgeräumt und gereinigt sein, die Mitglieder der Familie sollen sich auf das Miteinander vorbereiten.

Der Shabbat ist ein besonderes Fest für Familien. An allen anderen Abenden der Woche ist Zeit und Gelegenheit, Freunde zu treffen, Sport zu treiben, am Computer zu sitzen, Post zu beantworten, ins Kino zu gehen. Am Shabbat aber soll all dies ruhen; wir sollen uns auf uns selbst besinnen und den Einbruch des Shabbat mit unserer Familie oder mit unserer Gemeinde gemeinsam begehen, um Seinem Gebot zu entsprechen – aber auch, um für uns Kraft zu gewinnen für die kommende Woche.

Der Shabbat ist für uns Juden eine Insel in der Zeit. Der Shabbat soll von den alltäglichen Pflichten und Kleinigkeiten und Ablenkungen befreit sein. Er ist der wöchentlich wiederkehrende Tag, an dem wir zum einen an Ihn denken und zum anderen unsere menschliche Existenz – die durch G’ttes Willen besteht – bewußt wahrnehmen.

Warum schreiben Juden „G’tt“ und lassen das „o“ aus? Aus Respekt vor Ihm. Deswegen also die Schreibweise „G’tt“. Wir sprechen von Ihm auch als „der Ewige“, der „der Herr“ oder „der Einzige“. Mose fragt Ihn (TaNaCh Ex 3,1 bis 4,17) nach Seinem Namen, worauf Er antwortet „Ich bin, der Ich bin“. Weitergehendes zu G’ttes Namen können Sie hier nachlesen.

Der Shabbat ist der höchste Feiertag des Judentums – auch wenn er uns jede Woche besucht. Manche sagen, dass das Versöhnungsfest – Yom Kippur – noch höher als der Shabbat sei, sozusagen „der Shabbat der Shabbate“; aber ob nun jeder Shabbat der höchste Feiertag im Judentum sei oder ob Yom Kippur dies sei, kann hier nicht entschieden werden.

Der Shabbat beginnt am Freitagabend mit Sonnenuntergang; er endet am Samstagabend, wiederum bei Eintritt der Dunkelheit. 

Am Shabbat – dem Tag, an dem G’tt nach der Schöpfung ruhten, und den er uns feierlich zu halten gebot – dürfen Juden nicht arbeiten und nichts neues erschaffen. Also darf auch kein Licht entzündet werden. Deswegen war es in jüdischen Familien seit altersher üblich, kurz vor Shabbat mindestens zwei Kerzen zu entzünden (eine als Symbol für das Gedenken an den Shabbat, ein als Symbol für das Hüten des Shabbat), um die häusliche Beleuchtung sicherzustellen. Außerdem erhalten wir mit dem Anzünden der Kerzen „Neschama Jetera“, eine zweite, zusätzliche oder ergänzende Seele, die uns am Ausgang des Shabbat wieder verläßt; am nächsten Shabbat wird sie uns wieder besuchen. 

Das Kerzenzünden wurde so zur Tradition, seit dem Mittelalter als Aufgabe der „Frau des Hauses“ gesehen – natürlich können auch Männer und Kinder diese Aufgabe erfüllen.

Das Kerzenzünden findet idealerweise kurz vor Eintritt der Dunkelheit statt, man sagt einen Segensspruch – und dann beginnt der Shabbat. 

In der Synagoge und im Gemeindezentrum finden oft viele Aktivitäten statt. Wenn aber der Shabbat naht, senkt sich Ruhe über unser Haus.

Shabbat ist mehr als ein spiritueller Ruhetag (ebenso wie der Gruß „Shalom“ – Frieden – mehr meint als nur das Schweigen der Waffen). Shabbat ist der Tag, den Er uns gab, damit wir innehalten, uns Seiner und Unser bewußt werden. Am Shabbat ist unser Leben von den Sorgen des Alltags befreit und ausgerichtet auf die Hoffnung auf ein gutes, an Ihm ausgerichtetes Leben.

Viele Mitglieder unserer Gemeinde treffen zu Shabbat in unserer Synagoge ein. Eine Synagoge – wörtlich: Haus der Versammlung, Beit Knesset – ist ein relativ schmuckloser Raum. Keine Kunst, keine Ausschmückung soll davon ablenken, worum es in der Synagoge geht. Sie ist der Ort des Gebets, der Besinnung. Nicht ohne Grund steht „Bedenke, vor Wem du stehst“ über dem Vorhang vor dem heiligen Schrank geschrieben.

Was ist der heilige Schrank, „Aron hakodesch“? In ihm bewahren wir die Tora auf. Die Tora – das sind die fünf Bücher Mose. Erweitert um die Propheten (Neviim) und die Schriften, Ketuwim, bilden die drei Teile das Kofferwort TaNaCh. Der Tanach ist die Bibel. In der Tora wird – zeitlich – die Geschichte der Menschheit von der Erschaffung der Welt bis kurz nach dem Tod Mose’ und der Ankunft der Juden im Gelobten Land erzählt. In die Erzählung sind die g’ttlichen Ge- und Verbote eingeschlossen – allen voran natürlich die Zehn Gebote. Diese sind natürlich im Christen- wie im Judentum dieselben.

Allerdings ist in der deutschen Standardübersetzung ein wesentlicher Fehler enthalten. Im sechsten Gebot (bei Katholiken: im fünften Gebot) heißt es nicht „du sollst nicht töten“, wie Luther übersetzte, sondern „du sollst nicht morden“. Ein wesentlicher Unterschied. Näheres dazu finden Sie hier.

Das Gebet zu Shabbat ist im Wesentlichen und am Freitagabend, „Kabbalat Shabbat“, und am Samstagmorgen, „Shabbat“. Es gibt daneben noch das Gebet zum Nachmittag und zum Ausgang des Shabbat. Hier sollen vor allem das Gebet zu Beginn des Shabbat und am Shabbatmorgen dargestellt werden.

Am Freitagabend begrüßen wir den Shabbat. In einem zentralen, eine Zäsur des G’ttesdienstes darstellenden Lied („Lecha dodi, likrat kala“; Psalm 95), begrüßen wir den Shabbat so, wie ein Bräutigam seine Braut begrüßt. Das Lied ist fröhlich und voller Freude – weshalb Menschen, die gerade einen Trauerfall erlebten, erst nach diesem Lied am G’ttesdienst teilnehmen.

Im Wesentlichen besteht der G’ttesdienst am Freitagabend wie am Samstagmorgen aus Psalmen und aus Gebeten; am Samstagmorgen kommt als zentraler Teil die Lesung aus der Tora hinzu.

Weiters sind nachfolgend einige Bestandteile aufgezählt.

So beten wir das „Sch’ma Israel“, das jüdische Glaubensbekenntnis. In Lautschrift beginnt es so: „Sch’ma jisrael adonai eloheinu adnai echad“ – „Höre Israel, der Ewige, unser G’tt, der Ewige ist einzig“.

Ebenfalls beten wir das „Sieben-Gebet“. Es ist eine verkürzte Form des „Achtzehn-Gebets“, das an jedem Werktag gebetet wird. Es besteht aus Lob, Bitte und Dank an Ihn. Am Shabbat ist es aber um die Bitten verkürzt – deswegen „Sieben-Gebet“ statt „Achtzehn-Gebet“, weil wir am Shabbat nicht bitten. Am Shabbat haben wir von Ihm alles erhalten, weswegen es keine Bitten gibt, nur Lob und Dank.

Ein wichtiger Bestandteil jedes G’ttesdienstes ist der Kaddish, das auch als Totengebet gesprochen wird. In ihm ist übrigens nicht von Tod oder Trauer die Rede, sondern von der Herrlichkeit G’ttes. Zum Kaddish treten die Familienoberhäupter derer, die verstorben sind (oder deren Sterbetag sich jährt), nach vorne und sprechen dieses Gebet. Dadurch nimmt die Gemeinde an ihrem Verlust teil.

Ein weiterer Bestandteil unseres G’ttesdienstes ist der Kiddusch, der Segensspruch auf den Wein. Es findet auch für die Kinder der Gemeinde ein besonderer Kiddusch statt. Sie treten vor und sprechen den Segen auf die Trauben. Sie bekommen ein kleines Glas Traubensaft (und manchmal Süßigkeiten), vor allem aber den Segen des Rabbiners. Außerdem nimmt so die ganze Gemeinde Anteil am Aufwachsen der jungen Gemeindemitglieder. 

Am Samstag, nach der Lesung aus der Tora, hält der Rabbiner die Drasha – die Predigt. Sie lehnt sich meistens an dem Tora-Abschnitt der Woche, der Parascha, an und erläutert deren Botschaft.

Der Rabbiner ist der Lehrer der Gemeinde, sorgt für die religiöse Führung, Richtungsgebung und Leitung der Gemeinde. Der G’ttesdienst wird vom Chasan, dem Vorbeter, gehalten. Er dient dabei der Gemeinde lediglich im Wortsinne als Vorbeter, ist aber keinerlei Mittler zwischen den  Menschen und G’tt – jeder betet für sich, jeder muß schließlich einmal für sich und sein Leben Rechenschaft legen.

Der Rabbiner ist der Lehrer und religiöse Wegweiser der Gemeinde. Er ist in der Lage, die Schrift zu deuten und den Menschen zu erklären. Für diese Tätigkeit und Fähigkeit ist dem Rabbiner der höchste Respekt der Gemeinde und ihrer Mitglieder zu zollen.

Am Samstag ist der zentrale Punkt des G’ttesdienstes die Lesung aus der Tora. Die Tora ist neben der Unterteilung in die fünf Bücher Mose in viele Abschnitte (sing. Parascha, pl. Paraschot) unterteilt. An jedem Shabbat lesen wir eine Parascha. Nach einem Jahr ist so die ganze Tora gelesen, und wir beginnen von vorne. Allerdings ist es nicht so, daß an einem Shabbat der letzte Abschnitt zu Ende gelesen und am nächsten mit dem ersten Abschnitt begonnen wird – sondern die Lesung des letzten und die Lesung des ersten Abschnitts erfolgt in einem einzigen G’ttesdienst, um zu zeigen, daß die Tora im übertragenen Sinne nicht Anfang und Ende hat, sondern ein endloser Text ist.

Zur Lesung aus der Tora werden in Gemeinden orthodoxer Prägung sieben Männer aufgerufen. Jeder „liest“ einen Unterabschnitt der Parascha – wobei ‚„Lesen“ hier bedeutet, daß ein Segensspruch gesagt wird und der „Bal Kore“ – Vorleser – den Abschnitt auf hebräisch liest. Bis auf die Predigt wird der gesamte G’ttesdienst auf Hebräisch gehalten; die Gebetbücher für die Besucher des G’ttesdienstes sind allerdings in der Regel auch übersetzt gehalten, damit man in der eigenen Muttersprache mitlesen kann, was Vorbeter und Gemeinde auf Hebräisch laut beten.

Nach der Lesung aus der Tora wird noch die Haftara gelesen, ein von Rabbinern der Antike festgelegter Text aus den Propheten. Dieser wird in Anlehnung an den Text der Tora-Lesung gewählt.

Nach dem G’ttesdienst findet ein Kiddusch statt, eine Mahlzeit außerhalb der Synagoge, bei der die Gemeindemitglieder noch beisammen und im Gespräch miteinander sind. Abschließend wird das Tischdankgebet gesagt.

Diese Beschreibung ist ganz gewiß nicht vollständig, soll aber den Besuchern unserer Website einen Eindruck und ein erstes Wissen davon vermitteln, was zum G’ttesdienst zu Shabbat geschieht.

Die Liebe – die Liebe zum Nächsten – ist der zentrale Aspekt des Judentums überhaupt. Nach jüdischem Verständnis ist der Mensch ein freies Wesen, das selbst entscheidet. Diese Fähigkeit wurde uns von Ihm gegeben – gemeinsam mit der Verantwortung für unsere Entscheidungen.

Auch daran denken wir an Shabbat – der uns für die ganze Woche stärken soll, bis es wieder heißt: „Shabbat Shalom!“

 

 

André Freud, zugestimmt von Kantor Baruch Grabowski und Religionslehrer German Djanatliev