An das ZDF

An das ZDF

  • On 21 Kislev 5782 – November 25, 2021

Am 21.11.2021 wurde über den Terroranschlag eines Hamas-Terroristen in Jerusalem berichtet. In der ZDF-„heute xpress“-Sendung wurde hierzu die Meldung eingeblendet: „Israel: ein Palästinenser erschossen“.

Diese Form der Berichterstattung ist böswillig und agitierend. Erschossen wurde ein Mörder während der Ausführung seiner Tat, um weitere Morde zu verhindern. Die Tat und die Opfer tauchen in der Meldung nicht auf.

Die Tatsache, dass das ZDF in späteren Sendungen diese Meldung umformulierte, ändert nichts daran, dass sie so gebracht wurde. Das wirft Fragen auf.

  • Ist derjenige[1], der die Meldung formulierte, arbeitsrechtlichen oder arbeitsvertraglichen Maßnahmen unterworfen worden oder steht dies an?
  • Ist derjenige, der die Meldung redaktionell freigab, arbeitsrechtlichen oder arbeitsvertraglichen Maßnahmen unterworfen oder steht dies an?
  • Was tun Sie, um derlei unqualifizierte Ausbrüche, die wie ein Katalysator für antisemitische  Gewalttaten wirken, zu verhindern?
  • Ist Ihnen bewusst, wie scheinheilig die Berichterstattung des ZDF über „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ dann wirkt?
  • Ist Ihnen und ist den redaktionellen und weiteren Mitarbeitern, die mit Berichterstattung über den Nahen Osten zu tun haben (können) bekannt, wie die NS-Presse diese Berichterstattung vollzog? Selbst diese gab sich eher den Anschein scheinbar neutraler Berichterstattung.
  • Stellt das ZDF entsprechende und verpflichtende Bildungsangebote für den genannten Mitarbeiterkreis zur Verfügung?
  • Ist den verantwortlichen Mitarbeitern bewusst oder bewusst gemacht worden, dass diese Berichterstattung das antijüdische Ressentiment verstärkt?

Gerade mit dem Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist eine solche Berichterstattung unvereinbar. Wichtig ist, über diesen Vorfall nicht mit denn allzu üblichen Versatzstücken aus den letzten entsprechenden Vorfällen hinwegzugehen und ihn möglichst baldigem Vergessen anheimfallen zu lassen, sondern aktiv – und in Bezug auf junge oder angehende Journalisten: proaktiv – anzugehen.

Die – jüdischen – Opfer des Terroranschlags, ob verletzt oder getötet, müssen bei der Berichterstattung ebenso im Zentrum der Meldung stehen wie die Tatsache, dass es ein Mordanschlag war. Dass der Terrorist während der Tatbegehung unschädlich gemacht wurde, indem er getötet wurde, ist freilich ein Aspekt der Berichterstattung, der zu beachten ist. Wer ihn aber voranstellt, macht sich mit der Tat gemein. Ob das im Sinne derer ist, die die Meldung formulierten und freigaben, können wir nicht beurteilen – dass es aber der Effekt ist, können wir schon aufgrund der Meldungen, die uns über die sozialen Medien erreichten, sehr wohl beurteilen.

In den Bundesländern, an Universitäten und anderen Körperschaften und Institutionen bestehen seit einiger Zeit die sogenannten Antisemitismusbeauftragten. Durch eine solche Berichterstattung wird ihre wichtige Arbeit schlankerhand zunichte gemacht.

Die kurze Meldung des ZDF passt vom unverhältnismäßigen Gewicht zuungunsten Israels und zugunsten der Terrororganisation Hamas, die möglicherweise hinter dem Anschlag steckt – ihn aber jedenfalls feiert –, ist verschlossen – also für den Zuschauer nicht ohne weiteres erkenntlich –, nachteilig und unfair. Dieser Bias passt nahtlos in beispielsweise die Art der Berichterstattung im „Stürmer“, wie das angehängte Beispiel „Jüdische Polizisten in Jerusalem“ der „Stürmer“-Ausgabe vom August 1937 zeigt. Die Verantwortung der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten liegt auch darin, dass in einem Klima, in dem Israelhass und antisemitische Schuldabwehr fortwährend vorkommen, auch wieder rechter und linker Antisemitismus alltäglicher werden. Offensichtlich falsche Verunglimpfungen Israels und glatte Lügen leisten pro-palästinensischen Terroristen, die oft mit Rechtsradikalen demonstrieren und Angriffe begehen, Vorschub, ihre Straßengewalt und Drohungen zu intensivieren und Juden Angst machen. In sozialen Medien im Internet verbreiten sich Verschwörungstheorien, Falschnachrichten und Hass besonders rasant.

Wir rufen Sie auf, solchem vorsätzlichen oder fahrlässigen Treiben wirkungsvoll ein Ende zu bereiten. Eine – wenigstens – neutrale Berichterstattung ist dringend nötig. Wie erwähnt, besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen solcher „Berichterstattung“ und dem Anwachsen des Antisemitismus in Deutschland. Diesen beklagt zu sehen, ist angesichts einer solchen „Berichterstattung“ weder redlich noch glaubhaft.

Mit freundlichen Grüßen

 

Jo-Achim Hamburger, Vorsitzender

Israelitische Kultusgemeinde Nürnberg

Körperschaft des öffentlichen Rechts
Arno-Hamburger-Str. 3
90411 Nürnberg
0911 5625-0

 

Dieses Schreiben geht zur Kenntnis an ZDF-Fernsehrat, an Antisemitismusbeauftragte von Bund und Länder und an den Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland

[1] Zur besseren Lesbarkeit ist dieses Schreiben nicht gegendert; es sind jeweils alle gemeint