An dieser Stelle möchte ich zunächst dem Verfasser dieser kleinen Broschüre, unserem Lehrer German Djanatliev, und unserem Rabbiner Shimon Grossberg, der den Inhalt überprüfte, danken. Sie wird dazu dienen, unseren Mitgliedern ein Wegweiser in schweren Stunden zu sein.
Wenn man über den Friedhof geht, sieht man auch die Gräber unserer Heldinnen und Helden. Die, die für ihr Vaterland im Krieg gestorben sind und die, die von den Naziverbrechern ermordet wurden.
Im Kampf des Geistes entscheidet nicht die Überzahl, es entscheidet das Recht und das Recht ist auf der Seite der Juden. Was ist geworden aus den Vorurteilen, aus den Beschuldigungen, die man sich ausgedacht hat, um für die Verfolgungen und Morde wenigstens einen Schein des Rechts aufrecht zu erhalten? Wo sind sie denn alle, die uns nachgestellt haben und die auf Leichenbergen schon unseren Untergang gefeiert haben?
Noch beten wir zu demselben Allmächtigen, den unsere Urahnen schon den Menschen verkündet haben, noch verkünden wir die Wahrheiten, die wir einst am Berge Sinai empfangen haben. Noch lebt der jüdische Geist, der Geist der Menschenliebe, der Geist des Erbarmens, der Geist der Toleranz und der Gerechtigkeit gegen alle Menschen.
Rabbiner Leo Baeck nennt den Tod auch die Tschuwah, die Umkehr. Er ist die Befreiung vom Irdischen, das vergeht, und der Ewigkeit, die uns aufnimmt. In der Tora, unserer heiligen Schrift, ist von Weiterleben über den Tod hinaus wenig die Rede, aber dieses Weiterleben wird auch nicht abgeleugnet. Diese Zurückhaltung gegenüber dem Glauben an Unsterblichkeit hat einen besonderen Grund. Sie stellt eine Anfechtung gegen alle Phantasien der Naturreligionen um uns herum dar, Religionen, die das Jenseits ausgestalten und die wirren Gedanken, die daraus in notwendiger Weise hervorgehen.
Das Verbot „Lo taaseh lecha pesel wekol temunah ascher baschamajim mimaal weascher baaretz mitachat weascher bamajim mitachat laarez. Du sollst dir kein Bild machen und keinerlei Gestalt von dem, was im Himmel oben oder im Wasser unter der Erde ist (2. Buch Mose, Vers 20, 4,5)“. Dieses Verbot gilt auch als Verbot, dass Bilder vom Reich der Toten, Bilder von Verstorbenen auf unseren Friedhöfen nichts zu suchen haben. Die Ablehnung ist somit auch eine Abgrenzung zum Heidentum und seiner allgegenwärtigen Bilder.
Du sollst dir keine Vorstellung machen von alle dem. Das verlangt viel Vorstellungskraft, Fähigkeit zu abstrahieren. Ein wichtiger Teil dessen, was uns, das Volk des Buches, von anderen Völkern unterscheidet.
Jo-Achim Hamburger, 1. Vorsitzender